Die
Zeit nach 1945
Bemerkung
von Prof. Dr. K. Rawer:
Es gelang
Walter Dieminger, die Substanz der Z.f.F. über die Kapitulation hinaus zu
erhalten - im Rahmen des Fraunhoferinstituts für Hochfrequenzforschung - und
bei Forschungsgruppen der nunmehrigen Besatzungsmächte Interesse für eine
Fortsetzung der Ionosphärenforschung in Deutschland zu wecken. Das führte dazu
daß Ende Februar Anfang März 1946
dieses Institut nach Lindau/Harz überführt wurde. Das Institut durfte
allerdings zunächst keine Ionosphärenforschung betreiben, sondern mußte Geld
verdienen durch den Bau von zum Verkauf bestimmter Geräte. Damit begann für
Walter Dieminger ein zweites Mal die Aufgabe, nach und nach eine große
wissenschaftliche Institution aufzubauen und zu Erfolgen zu führen. Unter
seiner umsichtigen Leitung wurde die Z.f.F. – inzwischen ja Fraunhofer-Institut
– nach langwierigen Verhandlungen mit interalliierten Kommissionen aus Ried,
im amerikanisch-besetzten Oberösterreich nach Lindau im Harz, in die englisch
besetzte Zone Deutschlands verlagert. 70 Lastkraftwagen der Royal Air Force
unter der Leitung des englischen Ionosphärenphysikers W. R. Piggott brachten sämtliche
Geräte, Maschinen, Beobachtungs- und wissenschaftliche Ergebnisse nach
Deutschland. Piggott ermöglichte
damit den Fortbestand der Gruppe. Walter Dieminger hat dieses Unternehmen in
humorvoller Art 1983 im MPG-Spiegel Nr. 2 unter dem Titel "Der lange Marsch
nach Lindau" ausführlich geschildert.
Der Anfang in
Lindau war schwer, die Arbeiten standen zunächst unter Kontrolle der
Besatzungsmächte, die Verwaltung lag bei der damals noch existierenden
Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die später auf die Max-Planck-Gesellschaft überging.
1. April 1947: Übernahme in die Verwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Erteilung der Erlaubnis zur wissenschaftlichen Forschung durch den Kontrollrat.
31. Dezember 1947: Beginn der Ionosphärenbeobachtungen und Wiederaufnahme der internationalen Beziehungen.
1948 war Walter Dieminger einer der Unterzeichner des Gründungsprotokolles der Max-Planck-Gesellschaft (MPG).
1948: Habilitierung an der Universität Göttingen, an der Walter Dieminger von 1956 – 1975 Professor war und die Venia Legendi hatte.
1. Oktober 1951: Das Institut wird als „Max-Planck-Institut für Ionosphärenforschung“ endgültig in die Max-Planck-Gesellschaft übernommen. Professor Walter Dieminger wird zum Wissenschaftlichen Mitglied und Direktor berufen.
Walter Diemingers wissenschaftliche Interessen konzentrierten sich damals auf die Streuprozesse der Radiowellen am Erdboden und an der Ionosphäre. Eine leistungsfähige Anlage für Schräglotungen, die mit ERP-Mitteln gebaut werden konnte, war hier sehr hilfreich. Eine diesbezügliche Veröffentlichung erschien 1947 in den "Naturwissenschaften" fünf Tage vor einer russischen Arbeit mit ähnlichen Ergebnissen.
1952 – 1955: Mitarbeit bei: Großer Brockhaus 1955, Fischer-Lexikon Physik, Physikalisches Wörterbuch (Hrsg. V. Wilhelm, H. Westphal, Springer-Verlag 1952).
1. Juli 1957 bis 31. Dezember 1959 (Internationales Geophysikalisches Jahr): Betrieb einer Außenstelle des Instituts in Tsumeb/Südwestafrika.
1957 wurde das nach Lindau verlegte "Max-Planck-Institut für Physik
der Stratosphäre" mit dem Institut für Ionosphärenphysik auf Beschluß
des MPG Senats zum "Max-Planck-Institut für Aeronomie" (MPAe) unter
Walter Diemingers Leitung vereinigt. Das MPAe hatte
Walter Dieminger und Julius Bartels als Co-Direktoren, mit Walter Dieminger als
geschäftsführendem Direktor.
Dessen Interessen verlagerten sich in dieser Zeit immer mehr von den Problemen der Wellenausbreitung auf die Physik der hohen Atmosphäre. So entstanden seine experimentellen Untersuchungen über die anomale Dämpfung der Radiowellen in der D-Schicht während des Winters in gemäßigten Breiten. Die von Walter Dieminger geäußerte Vermutung, daß es sich nicht um eine extraterrestrische, sondern um eine meteorologische Steuerung handelt, konnte später bestätigt werden.
Ein stürmischer Aufschwung des Institutes begann – so schreibt Walter
Dieminger selbst – mit der Vorbereitung des Internationalen Geophysikalischen
Jahres 1957/8, an dem sich das Institut mit zahlreichen Beobachtungsprogrammen
beteiligte. Unter anderem errichtete Walter Dieminger die
"Forschungsstation Jonathan Zenneck" - zur Ionosphärenbeobachtung -
in Tsumeb, Südwestafrika, wodurch eine große Lücke im internationalen
Beobachtungsnetz geschlossen werden konnte.
Als Folge des Sputnikschocks im Westen wurde auch im MPAe Weltraumforschung mit Satelliten-(experimenten) begonnen, wobei ich hier nur kurz auf die eingehen kann, an denen sich Walter Dieminger unmittelbar beteiligt hat. Die Zahl der Satellitenexperimente wuchs mit der Zeit. Sie bestimmen heute zum aller größten Teil die Arbeiten und die Zukunft des MPAe, die nun allerdings vorwiegend in der „Sonnenforschung“ liegen wird.
In dem Maße, wie das Institut wuchs und die Mitarbeit in internationalen
wissenschaftlichen Organisationen zunahm, verlagerte sich Walter Diemingers Tätigkeit
immer mehr vom eigenen wissenschaftlichen Forschen auf wissenschaftspolitische
und administrative Tätigkeiten, deren wichtigste Stationen im folgenden
stichwortartig aufgeführt werden sollen:
1959: Mitglied der Finnischen Akademie der Wissenschaften.
1959 (Ende des Jahres): Bau einer Außenstelle „Altes Feld“ zwischen Lindau und Bilshausen.
1961 – 1988: Herausgeber der Zeitschrift für Geophysik – Journal of Geophysics.
1962: „Beginn der Satellitenbaken-Messungen auf der Außenstation Gillersheim, die Walter Dieminger meist einmal pro Woche besuchte. Die Hauptaufgabe lag in der Aufzeichnung von Satellitenradiobakensignalen, und zwar zur Bestimmung des Elektroneninhaltes und der Szintillationen der Ionosphäre sowie zur Untersuchung der transatmosphärischen Radiowellenausbreitung Dabei spielte die angewandte Ionosphärenforschung eine große Rolle, hier besonders die Untersuchung der „atmosphärischen“ Störungen von Radiokommunikationssystemen und Radionavigationssystemen. Ihre Ergebnisse werden für viele IT Ingenieure, die ja hier in Kleinheubach immer stärker vertreten sind, immer wichtiger. Die Möglichkeiten und die Zuverlässigkeit der Satelliten-kommunikations- und Navigationssysteme wie z.B. des GPS Systems bestimmen heute zunehmend unseren Alltag. (Davies, 1990, Dieminger et al. 1996; Kohl et al. 1996, Leitinger et al. 2000).
Bemerkung des Autors:
Im Jahre 1965 wurde der Neubau der Außenstation Gillersheim fertiggestellt und bezogen. Nach der Emeritierung von Prof. Walter Dieminger wurde im Jahr 1978 die Außenstation geschlossen wegen Aufgabe dieses Arbeitsgebietes. Es war übrigens mein eigenes, dem ich auch später nicht ganz untreu wurde als ich mich der Mikrowellenspektroskopie widmete und mit einem internationalen Team mit dem Millimeterwellen Atmosphären-Sondierer (MAS) . die Ozon-, Wasserdampf- und Chlormonoxidverteilung in der Erdatmosphäre (Stratosphäre und Mesosphäre) untersucht habe, und zwar im Rahmen der drei NASA ATLAS Space Shuttle Missionen. Siehe auch Fabian (1992).
1963: „Forschungsstation Jonathan Zenneck“ als Observatorium mit festen Gebäuden in Tsumeb/Südwestafrika fertiggestellt.
1964 Nach dem Tod von Prof. Dr. J. Bartels wurde der Bereich der Stratopshärenphysik von Prof. Dr. A. Ehmert und Prof. Dr. G. Pfotzer übernommen.
1965: Korrespondierendes Mitglied der Internationalen Akademie für Astronautik
1966 – 1969: Vizepräsident der Union Radio Scientifique Internationale (U.R.S.I.).
1968: Mitglied der Leopoldina Akademie der Naturforscher zu Halle.
1968 (Oktober): Neubau des Institutsgebäudes II (jetziger Neubau) bezogen.
1969 – 1972: Präsident der URSI.
1971 Das Max-Planck-Institut für Aeronomie, d.h. das Institut für Ionosphärenphysik besteht 25 Jahre. Das Institut hat aus diesem Anlaß 1972 ein Festschrift herausgegeben, in der ein wissenschaftlicher und ein geschichtlicher Beitrag aus der Feder von Walter Dieminger stammten, außerdem Beiträge von befreundeten Institutionen und Kollegen aus dem In- und Ausland sowie von vielen MPAe-Mitarbeitern.
1971: K. F. Gauß-Medaille.
1971: Mitglied der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft.
1972: Ehrenpräsident der URSI.
1972: Bundesverdienstkreuz am Bande.
1975: Ehrenbürger der Gemeinde Katlenburg-Lindau.
1975: Ehrenmitglied der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft
31. Juli 1975: Emeritierung von Prof. Dr. Walter Dieminger.
Walter Dieminger war in 21 Fachgremien tätig.
Durch Neuberufungen wurde in den Jahren 1974-77 die Leitung einem neuen Kollegium von drei Direktoren, Prof. Dr. William Ian Axford, Dr. Helmut Rosenbauer und Prof. Dr. Vytenis M. Vasyliunas übertragen. Unter ihrer Führung wurden die Arbeitsgebiete Atmosphäre, Ionosphäre, Magnetosphäre der Erde fortgesetzt und die Bereiche Sonne, Heliosphäre und Kometen eingerichtet und ausgebaut. Im Jahre 1992 bekam mit der Berufung von Prof. Dr. Tor Hagfors der Bereich Planetenforschung eine größere Bedeutung. Mit seiner Emeritierung, der von Prof. Sir Ian Axford (30.01.2001) und der Neuberufung von Prof. Dr. S. Solanki am 01.11.1999 laufen die Arbeitsbereiche Atmosphäre, Ionosphäre und Erdmagnetosphäre aus und das Hauptarbeitsgebiet wird nun die Erforschung des Sonnensystems sein.