Die Zeit nach 1945

Bemerkung von Prof. Dr. K. Rawer:

Der britische Ionoph�renphysiker William Roy Piggott kam entgegen erteilten Befehlen zu der Meinung, die Gruppe aus Ried solle teilweise erhalten und in Zusammenarbeit mit Slough in der britischen Zone weiterarbeiten k�nnen. Die "Forschungsgruppen der Besatzungsm�chte" hatten nicht das geringste Interesse daran. Die "alliierte Kommission" bestand aus dem Planetenforscher Gerard Kuiper (USA), der an Kiepenheuer's Gruppe interessiert war, Yves Rocard (F), der den Kern meiner Beratungsgruppe �bernehmen wollte, sowie Piggott und Jennings (GB), die von Appleton Weisung hatten, alles aufzul�sen. Zwar wurden deren eigeninteressierte Vorstellungen in den Bericht dieser FIAT-Party �bernommen, aber FIAT selbst (Field Intelligence Agency, Technical Branch) lehnte diesen Bericht und seine Vorschl�ge ab. Die Teilnehmer handelten dann ohne Abstimmung, wie sie es f�r richtig hielten. Auch mein sp�terer �bergang in die franz�sische Zone wurde von Amerikanern und Briten streng ger�gt. Die �berf�hrung nach Lindau (weil dort Baracken leer standen) war im alliierten Sinne v�llig illegal. London hat schlie�lich nur das Ergebnis akzeptiert, f�r die Methode bekam Roy, nach vorheriger Androhung des Kriegsgerichts, schlie�lich einen "strengen Verweis". Man sollte angebliche alliierte Forschersympathien nicht belobigen, daf�r aber Roy's tapferen Allleingang. Der hatte auch die "umsichtige Leitung" des Transfers, unter Ausnutzung aller Wege, die damals den Siegern m�glich waren - insbesondere der krummen. Ein Deutscher h�tte das damals nicht tun k�nnen!

Es gelang Walter Dieminger, die Substanz der Z.f.F. �ber die Kapitulation hinaus zu erhalten - im Rahmen des Fraunhoferinstituts f�r Hochfrequenzforschung - und bei Forschungsgruppen der nunmehrigen Besatzungsm�chte Interesse f�r eine Fortsetzung der Ionosph�renforschung in Deutschland zu wecken. Das f�hrte dazu da� Ende Februar Anfang M�rz 1946 dieses Institut nach Lindau/Harz �berf�hrt wurde. Das Institut durfte allerdings zun�chst keine Ionosph�renforschung betreiben, sondern mu�te Geld verdienen durch den Bau von zum Verkauf bestimmter Ger�te. Damit begann f�r Walter Dieminger ein zweites Mal die Aufgabe, nach und nach eine gro�e wissenschaftliche Institution aufzubauen und zu Erfolgen zu f�hren. Unter seiner umsichtigen Leitung wurde die Z.f.F. � inzwischen ja Fraunhofer-Institut � nach langwierigen Verhandlungen mit interalliierten Kommissionen aus Ried, im amerikanisch-besetzten Ober�sterreich nach Lindau im Harz, in die englisch besetzte Zone Deutschlands verlagert. 70 Lastkraftwagen der Royal Air Force unter der Leitung des englischen Ionosph�renphysikers W. R. Piggott brachten s�mtliche Ger�te, Maschinen, Beobachtungs- und wissenschaftliche Ergebnisse nach Deutschland. Piggott  erm�glichte damit den Fortbestand der Gruppe. Walter Dieminger hat dieses Unternehmen in humorvoller Art 1983 im MPG-Spiegel Nr. 2 unter dem Titel "Der lange Marsch nach Lindau" ausf�hrlich geschildert.

Der Anfang in Lindau war schwer, die Arbeiten standen zun�chst unter Kontrolle der Besatzungsm�chte, die Verwaltung lag bei der damals noch existierenden Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die sp�ter auf die Max-Planck-Gesellschaft �berging.

1. April 1947: �bernahme in die Verwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Erteilung der Erlaubnis zur wissenschaftlichen Forschung durch den Kontrollrat.

31. Dezember 1947: Beginn der Ionosph�renbeobachtungen und Wiederaufnahme der internationalen Beziehungen.

1948 war Walter Dieminger einer der Unterzeichner des Gr�ndungsprotokolles der Max-Planck-Gesellschaft (MPG).

1948: Habilitierung an der Universit�t G�ttingen, an der Walter Dieminger von 1956 � 1975 Professor war und die Venia Legendi hatte.

1. Oktober 1951: Das Institut wird als �Max-Planck-Institut f�r Ionosph�renforschung� endg�ltig in die Max-Planck-Gesellschaft �bernommen. Professor Walter Dieminger wird zum Wissenschaftlichen Mitglied und Direktor berufen.

Walter Diemingers wissenschaftliche Interessen konzentrierten sich damals auf die Streuprozesse der Radiowellen am Erdboden und an der Ionosph�re. Eine leistungsf�hige Anlage f�r Schr�glotungen, die mit ERP-Mitteln gebaut werden konnte, war hier sehr hilfreich. Eine diesbez�gliche Ver�ffentlichung erschien 1947 in den "Naturwissenschaften" f�nf Tage vor einer russischen Arbeit mit �hnlichen Ergebnissen.

1952 � 1955: Mitarbeit bei: Gro�er Brockhaus 1955, Fischer-Lexikon Physik, Physikalisches W�rterbuch (Hrsg. V. Wilhelm, H. Westphal, Springer-Verlag 1952).

1. Juli 1957 bis 31. Dezember 1959 (Internationales Geophysikalisches Jahr): Betrieb einer Au�enstelle des Instituts in Tsumeb/S�dwestafrika.

1957 wurde das nach Lindau verlegte "Max-Planck-Institut f�r Physik der Stratosph�re" mit dem Institut f�r Ionosph�renphysik auf Beschlu� des MPG Senats zum "Max-Planck-Institut f�r Aeronomie" (MPAe) unter Walter Diemingers Leitung vereinigt. Das MPAe hatte Walter Dieminger und Julius Bartels als Co-Direktoren, mit Walter Dieminger als gesch�ftsf�hrendem Direktor.

Dessen Interessen verlagerten sich in dieser Zeit immer mehr von den Problemen der Wellenausbreitung auf die Physik der hohen Atmosph�re. So entstanden seine experimentellen Untersuchungen �ber die anomale D�mpfung der Radiowellen in der D-Schicht w�hrend des Winters in gem��igten Breiten. Die von Walter Dieminger ge�u�erte Vermutung, da� es sich nicht um eine extraterrestrische, sondern um eine meteorologische Steuerung handelt, konnte sp�ter best�tigt werden.

Ein st�rmischer Aufschwung des Institutes begann � so schreibt Walter Dieminger selbst � mit der Vorbereitung des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/8, an dem sich das Institut mit zahlreichen Beobachtungsprogrammen beteiligte. Unter anderem errichtete Walter Dieminger die "Forschungsstation Jonathan Zenneck" - zur Ionosph�renbeobachtung - in Tsumeb, S�dwestafrika, wodurch eine gro�e L�cke im internationalen Beobachtungsnetz geschlossen werden konnte.

Als Folge des Sputnikschocks im Westen wurde auch im MPAe Weltraumforschung mit Satelliten-(experimenten) begonnen, wobei ich hier nur kurz auf die eingehen kann, an denen sich Walter Dieminger unmittelbar beteiligt hat. Die Zahl der Satellitenexperimente wuchs mit der Zeit. Sie bestimmen heute zum aller gr��ten Teil die Arbeiten und die Zukunft des MPAe, die nun allerdings vorwiegend in der �Sonnenforschung� liegen wird.

In dem Ma�e, wie das Institut wuchs und die Mitarbeit in internationalen wissenschaftlichen Organisationen zunahm, verlagerte sich Walter Diemingers T�tigkeit immer mehr vom eigenen wissenschaftlichen Forschen auf wissenschaftspolitische und administrative T�tigkeiten, deren wichtigste Stationen im folgenden stichwortartig aufgef�hrt werden sollen:

1959: Mitglied der Finnischen Akademie der Wissenschaften.

1959 (Ende des Jahres): Bau einer Au�enstelle �Altes Feld� zwischen Lindau und Bilshausen.

1961 � 1988: Herausgeber der Zeitschrift f�r Geophysik � Journal of Geophysics.

1962: �Beginn der Satellitenbaken-Messungen auf der Au�enstation Gillersheim, die Walter Dieminger meist einmal pro Woche besuchte. Die Hauptaufgabe lag in der Aufzeichnung von Satellitenradiobakensignalen, und zwar zur Bestimmung des Elektroneninhaltes und der Szintillationen der Ionosph�re sowie zur Untersuchung der transatmosph�rischen Radiowellenausbreitung Dabei spielte die angewandte Ionosph�renforschung eine gro�e Rolle, hier besonders die Untersuchung der �atmosph�rischen� St�rungen von Radiokommunikationssystemen und Radionavigationssystemen. Ihre Ergebnisse werden f�r viele IT Ingenieure, die ja hier in Kleinheubach immer st�rker vertreten sind, immer wichtiger. Die M�glichkeiten und die Zuverl�ssigkeit der Satelliten-kommunikations- und Navigationssysteme wie z.B. des GPS Systems bestimmen heute zunehmend unseren Alltag. (Davies, 1990, Dieminger et al. 1996; Kohl et al. 1996, Leitinger et al. 2000).

Bemerkung des Autors:

Im Jahre 1965 wurde der Neubau der Au�enstation Gillersheim fertiggestellt und bezogen. Nach der Emeritierung von Prof. Walter Dieminger wurde im Jahr 1978 die Au�enstation geschlossen wegen Aufgabe dieses Arbeitsgebietes. Es war �brigens mein eigenes, dem ich auch sp�ter nicht ganz untreu wurde als ich mich der Mikrowellenspektroskopie widmete und mit einem internationalen Team mit dem Millimeterwellen Atmosph�ren-Sondierer (MAS) . die Ozon-, Wasserdampf- und Chlormonoxidverteilung in der Erdatmosph�re (Stratosph�re und Mesosph�re) untersucht habe, und zwar im Rahmen der drei NASA ATLAS Space Shuttle Missionen. Siehe auch Fabian (1992).

1963: �Forschungsstation Jonathan Zenneck� als Observatorium mit festen Geb�uden in Tsumeb/S�dwestafrika fertiggestellt.

1964 Nach dem Tod von Prof. Dr. J. Bartels wurde der Bereich der Stratopsh�renphysik von Prof. Dr. A. Ehmert und Prof. Dr. G. Pfotzer �bernommen.

1965: Korrespondierendes Mitglied der Internationalen Akademie f�r Astronautik

1966 � 1969: Vizepr�sident der Union Radio Scientifique Internationale (U.R.S.I.).

1968: Mitglied der Leopoldina Akademie der Naturforscher zu Halle.

1968 (Oktober): Neubau des Institutsgeb�udes II (jetziger Neubau) bezogen.

1969 � 1972: Pr�sident der URSI.

1971 Das Max-Planck-Institut f�r Aeronomie, d.h. das Institut f�r Ionosph�renphysik besteht 25 Jahre. Das Institut hat aus diesem Anla� 1972 ein Festschrift herausgegeben, in der ein wissenschaftlicher und ein geschichtlicher Beitrag aus der Feder von Walter Dieminger stammten, au�erdem Beitr�ge von befreundeten Institutionen und Kollegen aus dem In- und Ausland sowie von vielen MPAe-Mitarbeitern.

1971: K. F. Gau�-Medaille.

1971: Mitglied der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft.

1972: Ehrenpr�sident der URSI.

1972: Bundesverdienstkreuz am Bande.

1975: Ehrenb�rger der Gemeinde Katlenburg-Lindau.

1975: Ehrenmitglied der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft

31. Juli 1975: Emeritierung von Prof. Dr. Walter Dieminger.

Walter Dieminger war in 21 Fachgremien t�tig.

Durch Neuberufungen wurde in den Jahren 1974-77 die Leitung einem neuen Kollegium von drei Direktoren, Prof. Dr. William Ian Axford, Dr. Helmut Rosenbauer und Prof. Dr. Vytenis M. Vasyliunas �bertragen. Unter ihrer F�hrung wurden die Arbeitsgebiete Atmosph�re, Ionosph�re, Magnetosph�re der Erde fortgesetzt und die Bereiche Sonne, Heliosph�re und Kometen eingerichtet und ausgebaut. Im Jahre 1992 bekam mit der Berufung von Prof. Dr. Tor Hagfors der Bereich Planetenforschung eine gr��ere Bedeutung. Mit seiner Emeritierung, der von Prof. Sir Ian Axford (30.01.2001) und der Neuberufung von Prof. Dr. S. Solanki am 01.11.1999 laufen die Arbeitsbereiche Atmosph�re, Ionosph�re und Erdmagnetosph�re aus und das Hauptarbeitsgebiet wird nun die Erforschung des Sonnensystems sein.